Laubach, den 5. Juni 2016
Bedingt durch die unstete Wetterlage mit gewittrigen Aussichten war diesmal ein Frühstart auf der zweiten Passage des Taunus-Rhönweges angesagt. Pünktlich um 05.00 Uhr wird im oberhessischen Laubach gestartet, dort wo sich der 115 Kilometer lange Vulkanring Vogelsberg mit dem 96 Kilometer langen Taunus-Rhönweg kreuzt. Nach den spektakulären Eindrücken auf der ersten Passage war die Erwartungshaltung natürlich groß.
Vorbei am Laubacher Schloß ging es entlang der Wetter, die sechs Kilometer vor Laubach entspringt, durch eine Waldpassage Richtung Gonterskirchen. Vorbei an einer Wochenendhaussiedlung (wobei man bei einigen Objekten vermuten muss, dass es sich hier um Hauptwohnsitze handelt), geht es entlang eines weiteren Gewässers, der Horloff, durch eine Auenlandschaft zum acht Kilometer entfernten Jägerhaus. Hier befindet sich das “Grüne Meer” ein Flora-und Fauna-Habitat, inclusive Waldentdeckungspfad, aufwändige Abenteuerspielplätze mit Konstruktionen , wie es zur Zeit des Mittelalters üblich war, überwiegend mit Seilen verbunden und ohne Nägel, einer nachgebaute Köhlerei und einer Tierbeobachtungsstation.
Zu frühester Morgenstunde ist der offizielle Wanderpfad jedoch noch durch Ketten und Schlösser verriegelt (!) – ein seltener und bemerkenswerter Umstand. So geht es durch das wald- und buchenreiche Höllerskopfbachtal auf schönen Wegen, permanent ansteigend, zum Petershainer Hof, wo man zum zweiten Mal den Vulkanring Vogelsberg kreuzt. Ab hier öffnet sich das Areal und legt Blickmöglichkeiten bis in die Rhön frei. Vor Kölzenhain quert man eine mächtige Windparkanlage. Mehr als 35 Windboliden lassen sich in dem Areal ausmachen. Markant und erwähnenswert ist die Kirche des Weilers, mit einem als Haubendachreiter aufgesetzten Kirchturm. Mittlerweile wurde wetterschutzbedingt die ehemalige Fachwerkskirche komplett verschindelt.
Verbunden mit weiteren leichten Anstiegen ist nach insgesamt 24 Kilometern und vier Stunden Wanderzeit Ulrichstein, die höchstgelegenste hessische Stadt erreicht. Auf dem 614 Meter hohen Schloßberg tronen de Reste der ehemaligen Burganlage. Von hier aus kann man schöne Weitblicke genießen, Ulrichstein jedoch selbst enttäuscht und ist geprägt von einer sichtbaren maroden Bausubstanz im Ortskern. Beeindruckend die Orgel in der evangelischen Stadtkirche. Glücklicherweise hat zu früher Stunde das älteste Gasthaus der Kommune geöffnet und ermöglicht eine kurze Cappuccinorast.
Von Ulrichstein geht es durch ausgedehnte Waldabschnitte in das 20 Kilometer entfernte Lauterbach. Die Textur dieses Wanderabschnittes ist leider unattraktiv, da man sich ausschließlich an Rad- und Wirtschaftswegen orientiert hat und der Streckenverlauf schlichtweg dröge ist. Einziger Lichtblick auf der Wegstrecke in dem dünnbesiedelten Areal ist der Weiler Dirlammen mit seiner wunderschönen Fachwerkskirche, die jedoch, typisch für evangelische Kirchen, auch sonntags verschlossen ist. Eine weitere Überraschung – in dem knapp 500 Seelen zählenden Weiler befindet sich gegenüber die Kirche eine Gaststätte. Das hier selten ortsfremde Wanderer einkehren spürt man rasch bei Betreten der Gaststätte. Die Gespräche an der gut besetzten Frühschoppentheke verstummen schlagartig. Jedoch Speis und Trank zu sehr zivilen Preisen sind allemal eine Empfehlung wert. Nach weiteren zehn Kilometern und einer sich fortsetzenden unattraktiven Wegführung ist das Tagesziel Lauterbach erreicht.
Vom Alten Berg kann man die 13.000 Einwohner zählende Stadt gut überblicken. Lauterbach lohnt sich allemal für eine intensive Erkundung. Herrlich sanierte Gebäude, überwiegend im typisch oberhessischen Baustil gehalten bestimmen das Ortsbild im Kern der Kommune. Außen Barock, innen Rokoko – die Stadtkirche sollte man auf jeden Fall besichtigen Außergewöhnlich die innenarchitektonische Gestaltung der Kirche. Der stattliche Saalbau hat eine reich geschmückte Kanzelwand aus Stuckmarmor mit seitlichen Säulen und Rokoko-Ornamenten. Auf drei Seiten sind doppelte Emporen, die vor dem Chor in zweigeschossigen Logen enden. Zwangsläufig stellt man sich hier die Frage, wer die Ehre hatte in den Logen sich zur Andacht niederzulassen.
Unabdingbar ist natürlich, an der Geburtsstätte des ersten deutschen Camemberts, dem Lauterbacher Strolch einen Besuch abzustatten. Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten. Einerseits das Strumpfdenkmal an der ehemaligen Stadtmühle, und seit 2005 im Flußbett der Lauter errichtete “Strolchdenkmal”.
Nach 46 Kilometern und 890 Höhenmetern kann man von Lauterbach per Bahn ohne umzusteigen nach Grünberg zurückfahren, und von dort per Bus nach Laubach. Auch wenn das Wandererlebnis im zweiten Abschnitt streckenbedingt im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke bleibt, und die Streckenführung tendentiell eher für Radfahrer geeignet ist, entschädigt der Besuch der sehenswerten Stadt Lauterbach allemal. Offiziell endet der Taunus-Rhönweg im 15 Kilometer entfernten Schlitz. Da diese Passage mehr oder minder ausschließlich auf analogen Strecken durch den Wienoldswald verläuft, erscheint eine Fortsetzung dieser Passage nicht angebracht. Hier sollten sich andere Möglichkeiten ergeben, das sehenswerte Schlitz zu erkunden.
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