Vlissingen – 26. August 2024 “Eine anspruchsvolle Wanderung, die Kraft und Ausdauer erfordert” – nachzulesen in einem Folder, der gespickt ist mit Wandervorschlägen in einer Region, dort wo sich die höchsten Dünen befinden, dort wo eine ausgeprägte Wolkenkratzerkulisse an der längsten Strandpromenade des Landes eine der höchstfrequentiertesten Schiffsrouten Europas flankiert, und dort, wo jährlich “de mooiste en zwaarste Wandelmarathon van Nederland” (der schönste und schwerste niederländische Wandermarathon) am ersten Wochenende im Oktober veranstaltet wird. Ergo: ein Paradies für ambitionierte Wanderer.
Los geht es am Strandboulevard von Vlissingen, der zugleich der Längste der gesamten Niederlande ist. Bereits 1872 wurde Badhuis Vlissingen eröffnet und es entwickelte sich ein mondäner Badeort in dessen Zentrum das Grand Hotel des Bains stand. Zudem begünstigte eine Dampfschiffverbindung nach England die Entwicklung dieses Seebades. Ob die heutige Silhouette des Strandabschnitts von Vlissingen einen Schönheitspreis bekommen würde, erscheint eher fraglich. Markant ist sie allemal und durchaus hat die ausgeprägte Wolkenkratzeransammlung den Anmut eines “kleinen Dubais der Nordsee”. Schiffsspotter können sich zudem hier bestens austoben, denn nirgendwo am Nordseestrand kann man dichter den regen Schiffsverkehr beobachten, der hier an der Mündung der Westschelde von und nach Antwerpen durchfährt.
Vom Boulevard Bankert geht es zunächst in nördlicher Richtung in das Naturschutzgebiet Nollebos. Keine zweihundert Meter hinter dem Deich taucht man ein in ein kleines Juwel, welches aus den Überbleibseln von Strömungsrillen nach einem Deichbruch entstanden ist. Auf salzigem Boden hat sich hier ein spannendes Areal entwickelt. Schöne Wanderpfade bieten dabei in Küstennähe Gelegenheit, in einen Naturstreifen ein- und abzutauchen. Spätestens wenn man an der Nolle-Westduin in das Dünengebiet einsteigt, kann man die Aussage “Die Strecke ist nur vor ausdauernde und konditionsstarke Wanderer geeignet” als mittelgebirgsverwöhnter Zentraleuropäer einigermaßen nachvollziehen. Sicherlich, per se sind Niederländer nicht wirklich mit Steigungen vertraut. So gestaltet sich die Wegeführung auf die bis zu 54 Meter hohen Dünen durchaus lebendig. Munter geht es auf- und abwärts, wobei die Wegepfade sehr gut präpariert sind. Teils mit Asphalt belegt, teils mit einer sandigen Kleinmuschelrestdecke versehen, genießt man die sandigen Anhöhen auf den Weg gen Zoutelande. Der Wind in den Haaren, der salzige Geruch des Meeres in der Nase, die unterhalb liegenden Strandpavillons vor Augen und die permanent kreisenden Seemöwen über dem Kopfe habend. Friert man dieses Momentum ein, so wundert es nicht, dass man hier von der zeeländischen Riviera spricht.
Zouteland ist nicht nur bei Urlaubern als ein beliebter Badeort bekannt – sondern auch in Sportkreisen mit Legendenstatus behaftet. 10.000 lauf- und wanderbegeisterte Teilnehmer strömen alljährlich am ersten Wochenende im Oktober zum härtesten Marathon der Niederlande. Kein Wunder, denn man startet in Burgh-Haamstede und kämpft gegen das Element Wind, insbesondere auf dem neun Kilometer langen spektakulären Abschnitt des Oosterscheldekering, der gewaltigen Hochwassersperranlage die zwischen den Inseln Schouwen-Duivenland und Nord-Beeveland errichtet wurde. Nach diesem Abschnitt steigt man ein in die höchsten Dünen der Niederlande, um sich im Anschluss im Zieleinlauf in Zouteland gebührend als Bezwinger feiern zu lassen. Vielschichtig dabei das Angebot. Ob Marathonlauf, Ladies Run, Trailrunning, Walking-Marathon, Minimarathon für Kids oder eine 55 Kilometer lange MTB-Tour – jede Zielgruppe wird hier angesprochen. Einzige Hiobsbotschaft: mit 5.000 Teilnehmer ist der Wandermarathon dieses Jahr bereits ausgebucht.
Nach der anspruchsvollen Dünenweg geht es zurück nach Vlissingen – diesmal entlang des Strandes. Günstig natürlich wenn Ebbe angesagt ist, jedoch weite Teile lassen sich auch auf gut gangbaren Holzplanken absolvieren. Kein Wunder dass hier die Infrastruktur ausgezeichnet ist, denn zwischen Zouteland und Vlissingen reiht sich Strandhuisje an Strandhuisje. Einschlafen mit Meeresrauschen? Aufwachen direkt am Strand? Sand zwischen den Zähnen zum Frühstück? Alles kein Problem – denn hier können sich Freunde des Meeres regelrecht austoben. Zudem bieten zahlreiche bewirtschaftete Strandlokale alles was das Herz eines Strandurlaubers begehrt.
Jedoch nach dieser Strandpartie ist noch nicht Schluss- weiter geht es vom Boulevard Bankert auf der längsten Strandpromenade der Niederlande nach Vlissingen einschließlich einer erweiterten Runde in das nautische Zentrum der 45.000 Einwohner zählenden Stadt. Entlang der Strecke wird man auch mit den Brandflecken der Geschichte konfrontiert, denn Vlissingen wurde von den einstigen deutschen Besatzern zur Festung als integrativer Bestandteil des Atlantikwalls umgebaut. Genau vor 80 Jahren befreiten die alliierten Streitkräfte in einer der schwersten Schlachten des Krieges die Region von der deutschen Besatzung. Jeochm hoch der Preis und groß die Verluste, sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den Alliierten. Nach einer Runde um die Häfen der Stadt geht es entlang des Strandboulevards zurück zum Startpunkt dieser Wanderung.
Eindrucksvoll und abwechslungsreich, so dass Resümee dieser Tour. Hohe Dünen, die wunderbare Panoramen über die Halbinsel Walcheren bis hinüber zur flämischen Küstenlinie ermöglichen, eine eindrucksvolles Lichtszenario im sommerlich bedingt größeren Zeitfenster eines sich zu Ende neigenden Tages, nachdenklich machende historische Narben im Küstengebiet, ein lebendiges Umfeld einer dichtbefahrenen Wasserstraße und all dies eingemantelt in eine Gelassenheit, die im Allgemein und anerkennend als niederländische Lockerheit zu verbuchen ist. 32 Kilometer und für niederländische Verhältnisse gewaltige 210 Höhenmeter – so die Bilanz dieser Tour. Fortsetzung in 2025? Da wäre ja noch der Kustmarathon – der schönste und härteste dieses Landes……
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